Vorlage - VO/2020/08780  

Betreff: Empfehlung des Jugendhilfeausschusses zum interfraktionellen Antrag von den Fraktionen Freie Wähler und GAL und Die Linke: Inklusion sicherstellen - Überarbeitung der Entgeltordnung städtischer Kitas (VO/2019/08376)
Status:öffentlich  
Federführend:4.513 - Jugendarbeit Bearbeiter/-in: Gladasch, Dana
Beratungsfolge:
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
25.06.2020 
17. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

 

Der Jugendhilfeausschuss hat den Antrag ohne Votum passieren lassen und gibt keine Empfehlung an die Bürgerschaft.

 

 

 


Begründung

Die Bürgerschaft hat in ihrer Sitzung am 28.11.2019 den interfraktionellen Antrag der Fraktionen Freie Wähler und GAL und Die Linke in den Jugendhilfeausschuss, mit der Maßgabe der erneuten Beratung in der Bürgerschaft, überwiesen.


Antrag:

Hiermit beantragen wir, dass:

1. im Zuge der anstehenden Überarbeitung der städtischen Entgeltordnung im Jahr 2020 diese die Inklusionverpflichtungen gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention und des SGB VIII sowie die Vorgaben der §§ 117f des neuen SGB IX (wirksam ab 01.01.2020) bzgl. des Gesamt-/Teilhabeplanverfahrens erfüllt. Hierbei sind die einschlägigen Vorgaben der juristischen Kommentierung von jurisPK-SGB VIII / Rixen insbesondere zu § 22a Rn. 17 und 19 und die Erläuterungen des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung in der Stellungnahme zum neuen KitaG bzgl. des SGV IX zu beachten und sicherzustellen;

2. in dem Falle einer nicht möglichen inklusiven Betreuung eines Kindes mit Behinderung in einer bestimmten Regelkita unter städtischer Trägerschaft eine inklusive Betreuung des betroffenen Kindes in einer anderen Regelkita vom Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sichergestellt wird und hierbei

3. die einschlägigen Vorgaben für alternativ vorgeschlagene Regelkitas eingehalten werden, z.B. zulässige Entfernung einer Kita vom Wohnort des Kindes, Sicherstellung des von den Eltern angemeldeten subjektiven Betreuungsumfanges in der alternativen Kita u.ä.;

4. die Verwaltung, Fachbereich 4 bis zum 30.5.2020 ein Konzept erstellt, wie zukünftig Inklusion als Regelfall in allen städtischen Kitas für alle betreute Kinder 0-14 Jahre sichergestellt werden kann (inkl. Erarbeitung der dafür notwendigen Struktur- und Prozess- und Ergebnisqualität). Hierfür können - sofern vorhanden - andere Träger und/oder Kommunen, in denen Inklusion vollumfänglich in Kindertageseinrichtungen erfolgreich umgesetzt wird, als Vorbild genommen werden.

 

Begründung:

Die Fraktion Freie Wähler & GAL teilt die Rechtsauffassung, dass § 16 der städtischen Entgeltordnung gemäß der vorliegenden einschlägigen juristischen Kommentierung gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und das SGB VIII (Verpflichtung zur Inklusion in den Regel-Kindertageseinrichtungen) verstößt.  Im JHA am 07.2019 wurde im Rahmen der Diskussion in Verbindung mit der Antwort des Rechtsamtes (Nr. 2019/07052-01-01) - die auf einer Anfrage der Stadtelternvertretung zur Rechtmäßigkeit des §16 fußte - von der Verwaltung (Herr Jürgensen) ausgeführt, dass die Entgeltordnung aufgrund des anstehenden neuen KitaG im Jahr 2020 überarbeitet werden würde und in diesem Zusammenhang bei Bedarf auch noch mal das Thema § 16 der städtischen Entgeltordnung betrachtet werden könne.

Die KEV/SEV bat darum, dass bei der Aktualisierung auf die - oben von uns nun übernommenen und beantragten - Punkte 1-3 geachtet werde, damit die Entgeltordnung

1. rechtskonform mit der UN-Behindertenrechtskonvention und dem SGB VIII,

2. eine bedarfsgerechte Betreuung für Kinder mit Behinderung im Sinne des verpflichtenden zukünftigen SGB IX von dem Träger der öffentlichen Kinder und Jugendhilfe sichergestellt,

3. der Rechtsanspruch der Kinder auf außerschulische Bildung in Kindertagesbetreuung nach dem SGB VIII ohne Betreuungslücken für das Kind und auch die ggf. berufstätigen Eltern sichergestellt wird.

Um die in Punkt 1-3 beantragten Aspekte nach Änderung der Entgeltordnung in der Praxis realisieren zu können, erachten wir den Punkt 4 des Antrages als notwendige Voraussetzung.

Ergänzende Informationen zum Antrag: 

A) Ausführungen zu §§ 117f des neuen SGB IX des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung in der Stellungnahme zum neuen KitaG, S. 3, Link: http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/03000/umdruck-19-03039.pdf):

"(…) Durchführung eines konsenzorientierten transparenten Gesamt-/Teilhabeplanverfahrens mit Einbezug aller Beteiligten ausgehend von den Wünschen der Eltern. Dieses ist im neuen SGB IX vorgesehen und eine durch das BTHG geschaffene Chance, Leistungen wie aus einer Hand sicherzustellen zu können. (…)"

B) jurisPK-SGB VIII / Rixen zu § 22a:

Rn. 17:

"Paragraph 22 Abs. 4 SGB VIII (…) regelt (…) die Frage, ob die Förderung in Gruppen gemeinsam erfolgt, also in Gruppen, der Kinder mit und ohne Behinderung angehören. Dies muss regelmäßig geschehen (…), darf also nur einen atypischen Sondersituation nicht geschehen. Fiskalische Gründe oder ein organisatorischer Mehraufwands, die Suche nach geeignetem Personal sind in aller Regel kein solcher atypischer Fall, weil nach der Logik des SGB VIII die Deckung eines solchen Bedarfes durch rechtzeitige Planung grundsätzlich möglich ist (…)."

Rn. 19:

"Es ist zumindest vorstellbar, dass der Hilfebedarf des Kindes mit Behinderung derart ungewöhnlich ist, dass seinem Förderbedarf in einer Gruppe nicht Rechnung getragen werden darf. Um (bei realistischer Betrachtung nicht auszuschließende) verdeckte (mittelbare) Diskriminierung zu vermeiden, kann ein solcher Fall nur ein absoluter Ausnahmefall sein. Nötig ist zunächst eine genaue, sozial- bzw. heilpädagogisch qualifizierte Bestimmung des Hilfebedarfs des Kindes mit Behinderung. Ist danach eine pädagogisch kohärent konzipierte Betreuung in einer Gruppe für den Träger der öffentlichen Jugendhilfe und jeder der Einrichtung in seinem Zuständigkeitsbereich objektiv nicht realisierbar oder mit schlechterdings unzumutbaren organisatorischen Lasten verbunden, die die finanzielle Funktionsfähigkeit des Trägers dauerhaft in Frage stellen, nur dann greift der Vorbehalt. Finanzielle Erwägungen können also allenfalls in diesem Ausnahmefall, für den strenge Anforderungen gelten, relevant sein. Effektive Inklusion, auch in inklusiv konzipierten Gruppen, kostet - selbstverständlich - Geld. Könnte das Argument des Geldes regelmäßig greifen, würde dies zum Ende jeder Inklusion führen. Das kann im Lichte eines im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention effektuierten Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht richtig sein."

Der Jugendhilfeausschuss hat sich in seiner Sitzung am 05.03.2020 mit dem Antrag befasst und ihn einstimmig ohne Votum passieren lassen und gibt somit keine Empfehlung an die Bürgerschaft.

 

 

 


Anlagen