Gem. Bürgerschaftsbeschluss soll erstens der Bürgermeister sich auf Landesebene dafür einsetzen, dass die Berechnung der Mautgebühr und die Gründe für die Erhöhung überprüft werden, und zweitens darüber berichtet werden, auf welcher Grundlage die Mauterhöhungen stattfinden.
Prüfung der Mautgebührenberechnung und der Erhöhungsgründe
Vor Erlass einer neuen Mauthöheverordnung reicht die Herrentunnel Lübeck GmbH & Co. KG als Betreiberin des Herrentunnels einen Antrag auf Änderung der Mauthöheverordnung beim Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein ein. Erst nach dessen Prüfung und Feststellung der Berechtigung erlässt der zuständige Minister eine neue Mauthöheverordnung. Infolgedessen ist die in dem Beschluss geforderte Überprüfung der Berechnung der Mautgebühr und der Gründe für die Erhöhungen vor Erlass der Mauthöheverordnung durch das zuständige Landesministerium erfolgt.
Nachdem die Hansestadt Lübeck den Antrag der Herrentunnel Lübeck GmbH & Co. KG an das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein auf Anpassung der Mauthöhe in Kopie und nachrichtlich erhalten hatte, wurde das Ministerium seitens der HL um eine kritische Prüfung gebeten. Der Schriftwechsel wurde Ihnen mit VO/2019/07691 zur Verfügung gestellt.
Grundlage der Mauterhöhungen
Die Höhe der Mautgebühren wird auf der Grundlage des zwischen der Hansestadt Lübeck und der Konzessionärin am 11.03.1999 abgeschlossenen Konzessionsvertrages berechnet und regelmäßig entsprechend den jeweils gegebenen aktuellen Randbedingungen vertragskonform angepasst.
Hintergrundinformationen
Im Folgenden werden zu beiden Themen die Hintergründe und die entsprechenden Vereinbarungen aus dem Konzessionsvertrag dargestellt und erläutert.
Mit dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) vom 30.08.1994 schuf der Gesetzgeber erstmals die rechtlichen Voraussetzungen, Privaten Aufgaben des Neu- und Ausbaus von Bundesfernstraßen auf der Grundlage einer Mautgebührenfinanzierung zu übertragen.
Nur aufgrund dieses Gesetzes konnte am 11.03.1999 der Konzessionsvertrag für den Herrentunnel zwischen der Hansestadt Lübeck und der Konzessionärin abgeschlossen werden. Dazu war der Bürgermeister am 09.03.1999 von der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck beauftragt worden.
Im Konzessionsvertrag ist vereinbart, dass die Konzessionärin die Aufgabe übernimmt, den Herrentunnel zu planen, zu bauen, zu finanzieren und die Herrenbrücke abzubrechen sowie den Herrentunnel während des Konzessionszeitraumes zu betreiben und zu erhalten. Im Gegenzug erhält die Konzessionärin das Recht, zur Refinanzierung für die Benutzung des Herrentunnels während des Konzessionszeitraumes Mautgebühren zu erheben. Der Herrentunnel konnte folglich gebaut werden, ohne den städtischen Haushalt mit dessen Baukosten und zusätzlich während des Konzessionszeitraumes mit den laufenden Kosten, den Betriebs- und Unterhaltungskosten, zu belasten.
Gem. Artikel 23 des Konzessionsvertrages beträgt der Konzessionszeitraum 30 Jahre. Unter bestimmten Bedingungen sind Änderungen des Konzessionszeitraumes möglich.
Gem. Artikel 36 des Konzessionsvertrages erfolgt die Festsetzung der Mautgebühren gem. § 3 Abs. 3 FStrPrivFinG 1994 durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Einvernehmen mit der obersten Landesstraßenbaubehörde des Landes Schleswig-Holstein. Für diese Festsetzung schlagen die Vertragsparteien einvernehmlich ein Berechnungsverfahren vor, das zwischen ihnen vertraglich verbindlich ist.
Als Ausgangspunkt für die Höhe der Maut ist in dem Konzessionsvertrag festgelegt, dass das Finanzmodell auf der Basis der Annahmen zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe Mautgebühren (Preisstand 1998 einschl. 16% Mehrwertsteuer) für Pkw bei Barzahlung von 1,20 DM und bei Selbstbedienung von 1,00 DM ergibt. Für die anderen Fahrzeugklassen liegt die Mautgebühr entsprechend höher.
In Artikel 36.4 des Konzessionsvertrages ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Maut zu überprüfen und anzupassen ist. Dort ist z. B. vereinbart, dass die Maut jährlich an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen ist. Darüber hinaus ist die Maut u. a. zu erhöhen bei unvorhergesehenen Mehrkosten und/oder wenn das Verkehrsaufkommen im abgelaufenen Wirtschaftsjahr weniger als durchschnittlich 28.000 mautpflichtige Fahrzeuge pro Tag betrug und zusätzlich auf der Basis des Finanzmodells die Mautberechnungszielvorgaben (Schuldendienstdeckungsgrad, Eigenkapitalverzinsung) nicht mehr eingehalten werden.
In das Finanzmodell zur Mautberechnung fließen zahlreiche Parameter und vertragliche Randbedingungen ein. So heißt es z. B. im Artikel 36.4:
Die erforderliche Erhöhung der Maut wird durch Anwendung des Finanzmodells so ermittelt, dass die erhöhte Maut unter Berücksichtigung der aufgrund der obigen Tatbestände angepassten Parameter zur Einhaltung der Mautberechnungszielvorgaben im Finanzmodell führt. Hierbei ist der „Verdrängungseffekt“, d. h. die Möglichkeit eines geringeren Verkehrsaufkommens aufgrund der höheren Maut, angemessen zu berücksichtigen. Datengrundlage hierfür sind die „Verkehrsprognosen für erhöhte Maut“, die in diesem Fall im Finanzmodell zur Anwendung kommen. Instrumente sind eine optimierte Verteilung der Mauterhöhung auf die einzelnen Fahrzeugklassen oder eine Steigerung des Gesamtniveaus der Mauterhöhung, mit dem Ziel, das Einnahmeniveau auf ein Niveau zu bringen, bei dem die Mautberechnungszielvorgaben eingehalten werden.
Bei den Abstimmungsgesprächen mit dem Bund und dem Land im Vorfeld des ersten Mautantrages stellte sich heraus, dass das im Konzessionsvertrag vorgesehene Mautberechnungsverfahren teilweise nicht mit dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Gebührenrecht zu vereinbaren war. Gem. der salvatorischen Klausel in Art. 51 des Konzessionsvertrages wurde das Mautberechnungsmodell einvernehmlich so abgeändert, wie es dem gewollten Zweck in gesetzlich erlaubtem Sinne am nächsten kam.
Rechtzeitig vor Eröffnung des Herrentunnels am 26.08.2005 stellte die Herrentunnel Lübeck GmbH & Co. KG den ersten Antrag auf Erlass einer Mautverordnung beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen. Diesem Mautantrag sowie allen folgenden sind jeweils umfangreiche begründende Unterlagen beigefügt. Dabei handelt es sich z. B. um die Prüfberichte der Jahresabschlüsse, um Gutachten zur Verkehrsentwicklung und um Finanzierungsunterlagen. Vor Erlass einer Mauthöheverordnung werden die eingereichten Antragsunterlagen vom zuständigen Ministerium gründlich auf die Anspruchsberechtigung der beantragten neuen Höhe der Mautgebühren geprüft. Bei Vorliegen der gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen ist das Ministerium verpflichtet, dem Mautantrag stattzugeben.
Während die erste Verordnung über die Höhe der Maut für die Benutzung des Herrentunnels vom 06.07.2005 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen erlassen wurde, wurden alle folgenden aufgrund der Neufassung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes 2006 vom Verkehrsministerium des Landes Schleswig-Holstein erlassen. In dieser Gesetzesneufassung wurden, statt wie bisher der Bund, in § 5, Abs. 1 die Länder ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Höhe der Mautgebühr zu bestimmen.
Gem. § 5, Abs. 2 FStrPrivFinG 2006 kann der Private jederzeit bei der Landesregierung beantragen, die Bestimmung der Höhe der Mautgebühr durch Rechtsverordnung zu ändern. Der Private hat einen Anspruch auf Erlass einer Rechtsverordnung, soweit sich die der geltenden Bestimmung der Höhe der Mautgebühr zu Grunde liegenden Tatsachen wesentlich geändert haben.
Die Herrentunnel Lübeck GmbH & Co. KG hat seit Eröffnung des Herrentunnels die Praxis geübt, etwa alle ein bis drei Jahre die der Mautgebühr zu Grunde liegenden Tatsachen zu überprüfen und aufgrund des Ergebnisses eine Anpassung der Höhe der Mautgebühr zu beantragen. Seit August 2005 kam es so sechsmal zu einer Änderung der Höhe der Mautgebühr. Lt. Antrag der Herrentunnel Lübeck GmbH & Co. KG ist die aktuelle Mautberechnungsperiode über 36 Monate bis zum 28.02.2022 vorgesehen.