1. Einleitung
1.1 Lage und Abgrenzung des Plangebietes
Das Plangebiet liegt im Stadtteil St. Jürgen, Stadtbezirk 02-Hüxtertor/Mühlentor/Gärtnergasse. Der ca. 27 ha große Geltungsbereich der aufzustellenden Satzung umfasst den folgender-maßen abgegrenzten Bereich:
- nordwestliche Begrenzung durch die Grundstücke Amselweg 5 und 7
- nordöstliche Begrenzung durch die Grundstücke Stargasse 1 - 31 (ungerade)
- südöstliche Begrenzung durch die Grundstücke Nachtigallenstieg 16 und 18
- südwestliche Begrenzung durch die Grundstücke Stargasse 2 - 32 (gerade)
1.2 Anlass und Erfordernis Aufstellung einer Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
Der Bereich Stargasse befindet sich im Siedlungsbereich Gärtnergasse. Dieses Quartier wird begrenzt vom St. Jürgen-Ring, der Wakenitz, den Bahngleisen, der Verbindung nach Bad Kleinen und der Ratzeburger Allee.
Besondere Bedeutung hat das Quartier als Stadterweiterung der Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Im Gegensatz z.B. zur Vorstadt St. Lorenz Nord, wo verdichtete Wohnformen entstanden, wurden hier die Ideen der Wohnreformbewegung aufgegriffen und eingeschossige Typen-häuser auf großen Parzellen zur Selbstversorgung errichtet.
Diese ursprünglich vorhandene einheitliche Prägung geht im Gesamtquartier zunehmend verloren, im Gebiet der Stargasse und der Weinbergstraße ist noch ein zusammenhängendes Ortsbild ablesbar. Trotz vereinzelter Einbußen der ursprünglichen Gestaltqualität ist das Straßenbild überwiegend noch intakt.
Auch hier droht der Verlust der städtebaulichen Eigenart. Durch unmaßstäbliche und nicht an den Bestand angepasste An- und Umbauten ändert sich das Straßenbild.
Dieses und Veränderungen von Dächern und Dachstühlen führen häufig zu einem Verlust der städtebaulichen Eigenart.
Die Versiegelung von Vorgartenflächen durch Stellplatzanlagen oder Schottergärten, sowie der Wegfall historischer Einfriedungen beeinträchtigen das Ortsbild.
Mit dem Erlass einer städtebaulichen Erhaltungssatzung können diese Beeinträchtigungen abgewendet und verträglichere Lösungen angestoßen werden.
1.3 Planungsrechtliches Verfahren
Die Erhaltungssatzung „Stargasse“ nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB soll als einfache Ortssatzung festgelegt werden.
Ein Aufstellungsbeschluss ist kein Rechtmäßigkeitserfordernis. Mit einem Aufstellungsbeschluss nach § 172 Abs. 2 BauGB können jedoch Anträge auf satzungsrelevante Vorhaben für eine Dauer von 12 Monaten bereits vor Wirksamwerden der Satzung zurückgestellt werden.
Eine Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung wird durchgeführt, obwohl diese nicht verpflichtend ist. Mit Einbeziehung und Information der Eigentümer:innen und Bewohner:innen sollen die Satzungsziele verdeutlicht und Lösungswege im Umgang mit dem Erhalt, mit den Veränderungen oder mit der Errichtung baulicher Anlagen aufgezeigt werden.
2. Ausgangssituation
2.1 Bisherige Entwicklung und zu erhaltende städtebauliche Eigenart
Die Stargasse in der Siedlung Gärtnergasse ist ein typisches Beispiel einer Selbstversorger-siedlung mit zur Straße orientierten Siedlerhäusern und großen, langgestreckten Gartenparzellen. Ziel der Siedlung war, eine größtmögliche eigenständige Produktion von Lebensmitteln innerhalb einer kleinstädtischen Siedlungsform zu gewährleisten.
Die Erschließung des Siedlungsgeländes Gärtnergasse begann 1919 durch die Gemeinnützige Siedlergenossenschaft eGmbH. Die Bebauung des Amselweges und des Nachtigallen-stieges begann ca. 1923, die Bebauung der Stargasse erfolgte durch den Bauverein Selbst-hilfe (einem Vorläufer des Lübecker Bauvereins eG) ca. 5 Jahre später.
Typisch für dieses Quartier sind freistehende eingeschossige, typisierte Einzel- oder Doppel-häuser mit steil geneigtem Dach. Im Quartier sind auch Häuser mit einem prägnanten Bohlenbinderdach (z.B. Amselweg 5-7) zu finden.
Während sich oft viele Siedlungshäuser an langen Straßen reihen, ist die rel. kurze Stargasse zwischen den beiden Kopfgebäuden des Amselstieges 5-7 und des Nachtigallenstieges 16-18 ein in sich abgeschlossener homogener Bereich. Sie wirkt trotz der winkelig linearen Anordnung der Siedlungshäuser wie ein dörflicher Anger.
Grundlegendes Gestaltungselement war neben der Einheitlichkeit der Typenhäuser und ihrer Anordnung auch die Einfriedung und die gärtnerische Gestaltung der Vordergärten. Üblich ist ein kleiner gärtnerisch angelegter Vorgarten mit einem Stafetten- oder Jägerzaun.
Die eingeschossigen Häuser aus rotem Klinker mit steil geneigtem Satteldach richten sich mit ihrem Ortgang in einer Flucht zur Straße aus.
Die Stadterweiterung ist charakteristisch für die Wohnreformbewegung nach dem 1. Weltkrieg und gründet auf der sogenannten Siedlungsbewegung. Hier steht nicht die Idee einer verdichteten Vorstadt oder einer Gartenstadt im Vordergrund, vielmehr wurde an aus dem Krieg heimkehrende Soldaten, Familien von Gefallenen und kinderreiche Familien gedacht.
Das 1920 verabschiedete Reichsheimstättengesetz bezweckte den vor möglichen Gläubigern geschütztem Erwerb und Besitz von Wohneigentum, gesichert durch Erbbaurecht oder Rückkaufrecht (Heimfallanspruch) zu Gunsten des Ausgebers (z.B. Stadt o. Heimstättengesellschaft). Die bis zu 1.600 m² großen Grundstücke mit Pachtland wurden von den Siedler-familien zur Selbstversorgung durch Eigenanbau und Kleintierhaltung genutzt. Auch wenn in den vergangenen Jahren diverse Um- und Anbauten erfolgten, ist das ursprüngliche Erscheinungsbild des Straßenraums weitgehend erhalten.
Die baulichen Anlagen sind prägend für das städtebauliche Erscheinungsbild und geben diesem Gebiet eine unverwechselbare Identität. Sie sind Zeichen einer auch für Lübeck besonderen Bauphase zwischen den Weltkriegen und spiegeln die Lebensverhältnisse dieser Zeit wider.
Sie sind von künstlerischer, geschichtlicher und stadtbaugeschichtlicher Bedeutung und sollen dementsprechend durch die zukünftige Erhaltungssatzung geschützt werden.
2.2 sonstiges Planungsrecht
Der Bereich um die Stargasse ist als allgemeines Wohngebiet eingestuft. Da kein Bebauungsplan für dieses Gebiet existiert, sind für die Beurteilung von Bauvorhaben die Einfügekriterien des § 34 BauGB heranzuziehen.
3. Ziele und Zwecke der Planung
Zielsetzung der vorliegenden Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist es, die städtebauliche Eigenart des Satzungsgebietes aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt (siehe 2.1) zu erhalten.
4. Finanzielle Auswirkungen
Der Hansestadt Lübeck entstehen durch die Erhaltungssatzung keine unmittelbaren Kosten.
Mittelbar könnten theoretisch Kosten für den Erwerb von Grundstücken entstehen.
Falls die Genehmigung eines beantragten Vorhabens in Anwendung des § 172 Abs. 3 BauGB versagt wird und Erhalt und Nutzung des Gebäudes nachweislich wirtschaftlich nicht zumutbar sind, kann ein Eigentümer bzw. eine Eigentümerin ein Übernahmeverfahren nach § 173 Abs. 2 BauGB verlangen.
Ein Übernahmeverfahren in Erhaltungsgebieten wurde in den letzten Jahrzehnten in der Hansestadt Lübeck nicht eingeleitet. Auch die Erfahrungen in anderen Städten zeigen, dass dieses Risiko bzgl. eines Übernahmeanspruchs sehr gering einzuschätzen ist. Normalerweise und besonders in diesem Quartier sind die Eigentümer an der Erhaltung des speziellen und finanziellen Wertes ihrer Gebäude interessiert.
Nach den Vorschriften des § 89 BauGB besteht eine Wiederveräußerungspflicht, d.h. es handelt sich um einen Zwischenerwerb.
5. Rechtsgrundlagen und Fachgutachten
5.1 Rechtsgrundlagen
Der Aufstellungsbeschluss erfolgt aufgrund § 172 Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November (BGBl. I S. 3634), sowie § 4 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (Gemeindeordnung - GO -) in der Fassung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. S. 57), zuletzt geändert durch Ges. v. 04.01.2018 (GVOBl. S. 6).