Die Bürgerschaft hat am 28.03.2019 mit der Vorlage VO/2019/07240 beschlossen, einen städtebaulichen Wettbewerb für das ehemalige Schlachthofgelände und angrenzende Grundstücke in 2019 durchzuführen.
Den Interessen des Eigentümers des Schlachthofareals steht die fachliche Beurteilung der Verwaltung zur Ansiedlung eines Verbrauchermarktes entgegen. Um den Wettbewerb zielführend ausloben zu können, ist ein Beschluss der Politik notwendig, welche der beiden sich daraus ergebenden Varianten Grundlage der Auslobung werden soll.
Variante 1 – Vorschlag gemäß fachlicher Haltung der Verwaltung:
In diversen Vorlagen (VO/2015/03113, VO/2016/04014, VO/2016/03319) hat die Verwaltung regelmäßig die Ansiedlung eines Verbrauchermarktes mit 3.800 m² VK abgelehnt.
Als wesentliche Gründe wurden angeführt, dass bereits eine ausreichende Nahversorgung besteht, eine Ansiedlung in der Größenordnung nicht mit den Zielen des Einzelhandelszentren- und Nahversorgungskonzept vereinbar ist und negative Auswirkungen auf andere zentrale Versorgungsbereich nicht ausgeschlossen werden können. Die Verwaltung hat sich für eine behutsame Einzelhandelsentwicklung am bestehenden Einzelhandelsstandort Ecke Matthäistraße/Schwartauer Allee (Neubau und/oder Erweiterung) eingesetzt, auch im Hinblick darauf, dass ein weiterer Nahversorger mit 1.600 m² VK an dem Standort Bei der Lohmühle 84 entstehen wird.
Der Einzelhandelsgutachter Lademann und Partner führt in seinem Gutachten vom Juni 2016 aus, dass die Ansiedlung des Verbrauchermarktes mit insgesamt 3.800 m² VK auf dem ehemaligen Schlachthofgelände, bereits ohne Betrachtung des Planvorhabens Bei der Lohmühle 84, negative städtebauliche Folgewirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche nach sich ziehen kann. Mittlerweile hat die Bürgerschaft am 28.03.2019 den Satzungsbeschluss für den B-Plan 04.32.00 gefasst, um an dem Standort Bei der Lohmühle 84 das Vorhaben mit 1.600 m² VK[1] zu ermöglichen. Die Landesplanung Schleswig-Holstein weist in ihrer Stellungnahme zum B-Plan 04.32.00 darauf hin, dass eine kumulative Betrachtung beider Vorhaben rechtlich erforderlich ist. In der aktuellen Konzeption des Verbrauchermarktes am Schlachthof hat der Investor die Verkaufsfläche zwar auf 3.300 m² VK reduziert (inkl. Getränkemarkt und Konzessionären) - da die Verkaufsfläche an dem Standort Bei der Lohmühle in einer vergleichbaren Dimension erhöht wurde, können negative städtebauliche Folgewirkungen weiterhin nicht ausgeschlossen werden, da die Gesamtgrößenordnung der Verkaufsflächen in dem vom Gutachter betrachteten Einzugsbereich nahezu unverändert bleibt. Dabei spielt auch der geplante Anteil von 10 % zentrenrelevanten Randsortimenten eine erhebliche Rolle, der mit einer VK von 330 m² im Verhältnis sehr umfangreich ist.
Es ist zu befürchten, dass der integriert gelegene und fußläufig gut erreichbare Nahversorger Ecke Matthäistraße/Schwartauer Allee voraussichtlich schließen wird und der geplante Nahversorger am Standort Lohmühle 84 unter diesen Rahmenbedingungen vermutlich gar nicht erst errichtet wird, da keiner dieser beiden Nahversorger wirtschaftlich zu betreiben wäre.
Darüber hinaus wurde in den Vorlagen der Verwaltung angeführt, dass der Standort des ehem. Schlachthofs auch schon vor der aktuellen Wohnungsbaudiskussion aus städtebaulicher Sicht prädestiniert für Wohnnutzungen und öffentliche Grünflächen ist. Im Gegensatz zur Variante 2 kann auf dieser Fläche ein substantieller Beitrag zur Wohnraumversorgung in Lübeck mit 300-400 Wohnungen geleistet werden. In Lübeck bzw. insbesondere in innenstadtnaher Lage besteht ein großer Bedarf an Wohnbauflächen, es besteht kein zusätzlicher Bedarf an weiteren Einzelhandelsflächen.
Durch die Ansiedlung eines zusätzlichen großflächigen Verbrauchermarktes ist von einer zunehmenden Verkehrsbelastung sowohl auf der Schwartauer Allee als auch auf der bereits stark belasteten Lohmühle auszugehen. Die Verwaltung geht davon aus, dass der Markt aufgrund seiner geplanten Verkaufsfläche ein überdurchschnittlich großes Einzugsgebiet aufweisen würde und damit eine hohe Kfz-Belastung auf den übergeordneten Erschließungsstraßen induziert. Die Hansestadt Lübeck hat die Aufnahme des Gesamtumfeldes Schlachthof und Roddenkoppel in das Städtebauförderprogramm Stadtumbau West beantragt. Städtebauliche Zielsetzung im Rahmen dieses Prozesses ist die Reduzierung der Barrierewirkung der Schwartauer Allee, was durch die zunehmenden Verkehr erschwert werden würde.
Vorgaben für den Wettbewerb:
- Integriertes, städtebauliche Entwicklungskonzept unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Vorgaben im Gebiet zwischen Matthäistraße, Schwartauer Allee, Einsiedelstraße und Katharinenstraße
- Entwicklung eines in Stufen entwickelbaren gemischt genutzten, überwiegend dem Wohnen vorgehaltenen Quartiers unter Integration der denkmalgeschützten Strukturen und Bauten
- Grünverbindung zwischen St. Lorenz-Nord und Roddenkoppel, Naherholung
- Erweiterung der Verkaufsflächen des bestehenden Verbrauchermarktes auf 1.600 m² VK
- Konzeptionelle Einbindung der angrenzenden Bereiche
Variante 2 – Vorschlag des Eigentümers des Schlachthofgeländes:
Der Eigentümer plant, das Schlachthofareal als Quartier neu zu entwickeln. Anders als zuvor ist der Verbrauchermarkt lediglich als ein Bestandteil eines Gesamtkonzeptes zu sehen. Wünsche und Anregungen der Bevölkerung und Politik wurden in einer Konzeptidee der Lübecker Architekten PPP berücksichtigt, die Wohnen, Arbeiten, Freizeit und die Nahversorgung unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes vorsieht.
Bestandteil der Entwicklung ist nun soweit möglich die Erhaltung und Erlebbarmachung der historischen Bausubstanz. Diese soll Platz für Neues bieten – sei es eine Kita, ein Archiv, ein Quartierscafé oder eine Kombination aus Wohnen und Arbeiten. Das Konzept sieht weiterhin die Schaffung von Wohnbebauung mit rund 12.700 m² Bruttogeschossfläche im Geschosswohnungsbau vor. Bei einer Wohnungsgröße von 70 m² könnten rund 130 Wohneinheiten realisiert werden. Hiervon werden mindestens 30 % als geförderter Wohnraum entwickelt. Ebenfalls vorgesehen ist die Schaffung von kleineren und in Teilen öffentlichen Grünflächen, welche in Innenhöfen und entlang der Viehtrift neu angelegt werden können. Im Vergleich zu Variante 1 ist ein geringerer Grünflächenanteil vorgesehen. Seitens der Verwaltung wird ein höherer Grünflächenanteil angestrebt.
Der Verbrauchermarkt wird mit einer Größe von insgesamt 3.100 m² Verkaufsfläche inklusive Getränkemarkt plus einigen Konzessionären auf rd. 200 m² Verkaufsfläche geplant.
Im Rückblick auf die ursprünglichen Planungen ist die Verkaufsfläche bereits mehrmals verkleinert und nun im Vergleich zum Konzept von 2016 abermals um 500 m² reduziert worden. Ein vom Eigentümer beauftragtes Gutachten der CIMA zeigt die Verträglichkeit des Vorhabens mit den Leitsätzen des Einzelhandelszentren- und Nahversorgungskonzepts Lübecks und kommt zu dem Ergebnis, dass der Markt auch unter Einbeziehung der neu geschaffenen Verkaufsfläche an der Lohmühle als verträglich einzustufen ist. Die Entwicklung wird als positiv bewertet, um einen städtebaulichen Missstand zu beheben und gleichzeitig die wohnort-nahe Versorgung zu stärken.
Der mit Abstand größte Teil des Sortiments sind Lebensmittel und Drogerieartikel, die der Nahversorgung dienen. Lediglich zur Abrundung des Kernsortimentes werden branchenüblich auf max. 10 % der Verkaufsfläche Randsortimente angeboten. Ergänzende Fachmärkte mit zentrenrelevanten Sortimenten werden ausdrücklich ausgeschlossen.
Vorgaben für den Wettbewerb:
- Realisierungswettbewerb für das Quartier am Schlachthofgeländes inklusive Wohnungen und für einen Verbrauchermarkt mit 3.100 m² VK inklusive Getränkemarkt plus Konzessionären auf rd. 200 m² Verkaufsfläche
- Städtebaulich verträgliche Verortung der Stellplätze
- Nachnutzung des denkmalgeschützten Verwaltungsbaus und der Großviehschlachthalle mit Wohnungsbau und öffentlichen Nutzungen
- Grünverbindung zwischen St. Lorenz-Nord und Roddenkoppel; Naherholung
- Konzeptionelle Einbindung der angrenzenden Bereiche
Hinweis:
Das Gelände des Schlachthofes steht als Sachgesamtheit unter Denkmalschutz. Inwieweit großvolumige Ansiedlungen in Form eines Verbrauchermarktes oder andere Nutzungen wie Wohnungsbau mit diesem Schutzstatus in Übereinstimmung gebracht werden können, ist mit der Denkmalpflege im weiteren Verfahren noch abschließend zu klären.