Vorlage - VO/2019/07660  

Betreff: Abschluss eines Rahmenvertrages Schleswig-Holstein nach § 131 SGB IX
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator Sven Schindler
Federführend:2.500 - Soziale Sicherung Bearbeiter/-in: Gorziza, Karin
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Soziales zur Vorberatung
04.06.2019 
9. Sitzung des Ausschusses für Soziales in der Wahlperiode 2018/2023 unverändert beschlossen   
Hauptausschuss zur Vorberatung
18.06.2019 
18. Sitzung des Hauptausschusses unverändert beschlossen   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
20.06.2019 
9. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
20190424 Landesrahmenvertrag Stand 24.04.19
Anlage 1_Inhalt und Verfahren bei Prüfungen Stand 24.04.2019
Anlage 2_Kürzung der Vergütung Stand 24.04.2019
Anlage 3_Kalkulationseckpunkte Stand 24.04.2019
Anlage 4_ Modell SH Stand 24.04.2019

Beschlussvorschlag

 

Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck nimmt das Ergebnis der Verhandlungen zum Abschluss eines Rahmenvertrages Schleswig-Holstein nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in der als Anlage beigefügten Fassung vom 24.04.2019 zustimmend zur Kenntnis und bevollmächtigt den Geschäftsführer des Städteverbands Schleswig-Holstein, Herrn Marc Ziertmann, zur Unterzeichnung des Rahmenvertrages im Namen der Hansestadt Lübeck.

 

Die Zustimmung und Bevollmächtigung erfolgt mit der Maßgabe, dass die in der Vereinbarung zwischen Land und Kommunalen Landesverbänden vom 11.01.2018 zugesagte Konnexität einvernehmlich umgesetzt wird.

 

 

 


Verfahren

Beteiligte Bereiche/Projektgruppen:

Ergebnis:

 

1.201-Haushalt und Steuerung

Kenntnis genommen

 

 

 

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

x

Nein

Begründung:

 

Ist nicht erfolgt, da der Personenkreis von der Maßnahme nicht unmittelbar betroffen ist.

 

 

 

Die Maßnahme ist:

x

neu

 

 

freiwillig

 

x

vorgeschrieben durch:  SGB IX

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

Nein

 

x

Ja (siehe Begründung)

 


Begründung

Grundlagen

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) soll mit seinen umfangreichen Rechtsänderungen dazu beitragen, Menschen mit Behinderungen eine möglichst volle und wirksame Teilhabe in allen Bereichen für eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen und damit die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) umsetzen.

 

Eine wichtige Voraussetzung, um das deutsche Rehabilitations- und Teilhaberecht in Übereinstimmung mit der UN-BRK zu gestalten, ist, dass Teilhabeleistungen, also auch die Leistungen der Eingliederungshilfe, unabhängig von der Wohnform gewährt werden, in der Menschen mit Behinderungen leben.

Menschen mit Behinderungen, die in den bisherigen stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, erhalten derzeit eine Komplexleistung, in die sowohl existenzsichernde Leistungen wie Wohnen und Ernährung (in pauschalierter Form) als auch die eigentlichen Fachleistungen der Eingliederungshilfe einfließen.

Die Leistungsgruppe „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen“ ist bislang im Sechsten Kapitel des SGB XII, im System der Sozialhilfe, verankert. Der Träger der Sozialhilfe erbringt nach dem Dritten bzw. Vierten Kapitel des SGB XII für diese Gruppe von Menschen auch die existenzsichernden Leistungen. Sowohl für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel, als auch für die existenzsichernden Leistungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII ist die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit zwingende Leistungsvoraussetzung. Um also Teilhabeleistungen aus der Leistungsgruppe „Eingliederungshilfe“ erhalten zu können, ist eine „Bedürftigkeit“ erforderlich.

Mit dem 1. Januar 2020, der Umsetzung des BTHG, wird sich dies ändern. Die Leistungsgruppe „Eingliederungshilfe“ wird dann Teil des SGB IX werden und in den §§ 109-122 SGB IX n. F. genauer als bisher beschrieben. Dies ermöglicht eine Angleichung der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und die Möglichkeit, Einzelleistungen und Leistungskombinationen so zu erbringen, wie der individuelle Bedarf dies erfordert und zwar ganz unabhängig davon, wie und wo der Leistungsberechtigte lebt.

 

Die Umsetzung

 

Die Eingliederungshilfe konzentriert sich ab 2020 auf die reinen Fachleistungen, die Menschen auf Grund ihrer Beeinträchtigung benötigen, wie z. B. Assistenzleistungen, Leistungen zur Mobilität oder Hilfsmittel. Damit werden diese Leistungen von überwiegend einrichtungszentrierten zu personenzentrierten Leistungen ausgerichtet. Die Unterstützung der Menschen mit Behinderung orientiert sich künftig nicht mehr an einer bestimmten Wohnform, sondern ausschließlich am notwendigen individuellen Bedarf. Die Unterscheidung von Leistungen in ambulante, teilstationäre und stationäre Maßnahmen der Eingliederungshilfe wird aufgehoben. Sonderwohnformen sollen schrittweise, soweit möglich, reduziert werden

 

Die Leistungen zum Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft, wie beispielsweise Miete, Heizung, Lebensmittelversorgung oder Bekleidung werden wie bei Menschen ohne Behinderung durch die Sozialhilfe (SGB XII) oder durch die Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) finanziert. Damit erfolgt eine Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen.

 

Rahmenvertragsverhandlungen

 

Das erste Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (1. Teilhabestärkungsgesetz) vom 22.03.2018, GS Schl.-H. II, Gl.Nr. 865-1, bestimmt in Artikel 1, Gesetz zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (AB-SGB IX), § 1 Abs. 1 die Kreise und kreisfreien Städte neben dem Land als Träger der Eingliederungshilfe ab dem 01.01.2020 und damit zuständig für den Abschluss von Rahmenverträgen zur Erbringung von Leistungen nach § 131 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).


Der Vorstand des Städtetags hat die Geschäftsstelle des Städteverbands Schleswig-Holstein in seiner Sitzung am 04.12.2017 bevollmächtigt, auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 S. 5 AG-SGB IX die Aufgabe nach § 131 SGB IX für die kreisfreien Städte wahrzunehmen. Weiterhin hat der Vorstand festgelegt, dass die Geschäftsstelle des Städteverbands Schleswig-Holstein bei  den Verhandlungen in der künftigen Verhandlungskommission SGB IX von der Vorsitzenden der AG Soziales sowie einem der Sozialdezernenten der kreisfreien Städte unterstützt wird.

 

Die Verhandlungsgruppe zum Landesrahmenvertrag nach § 131 SGB IX besteht aus Vertretern der Leistungsträger, der Vereinigung der Leistungserbringer sowie der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen,  umfasst insgesamt 25 Personen und hat seit dem 01.02.2018 bislang 17 Mal, teils ganztägig, getagt. In acht Arbeitsgruppen der Verhandlungsgruppe, in denen Vertreter/innen aus allen kreisfreien Städten mit großem Engagement und fachlichen Knowhow mitwirken, werden Einzelthemen intensiv vorberaten. Eine Rückkoppelung erfolgt durchgehend in der AG Soziales der kreisfreien Städte, teilweise unter Einbeziehung der zuständigen Dezernenten der Städte.

 

Vorgesehen war, einen Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX bis zum 31.12.2018, spätestens aber zum 31.03.2019, zu erarbeiten und zu unterzeichnen, so dass die bestehenden, auf dem „alten Recht“ basierenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen der jetzigen Sozialhilfeträger mit den Einrichtungsträgern im Jahr 2019 an das neue, ab 2020 geltende Recht abgepasst werden können. Dieser Zeitplan konnte nicht eingehalten werden, so dass erst in der letzten Verhandlungsgruppensitzung am 24.04.2019 das beigefügte Vertragskonvolut für den Rahmenvertrag Schleswig-Holstein nach § 131 SGB IX innerhalb der Verhandlungsgruppe geeint wurde. Die Amtsleitungen aller kreisfreien Städte haben dem Inhalt dieser Fassung zugestimmt und auch der Vorstand des Städtetags hat in seiner Sitzung am 29.04.2019 folgenden einstimmigen Beschluss gefasst:

 

Der Vorstand des Städtetags nimmt das Ergebnis der Verhandlungen zum Abschluss eines Rahmenvertrages nach § 131 SGB IX mit der Maßgabe zur Kenntnis, dass die in der Vereinbarung zwischen Land und Kommunalen Landesverbänden vom 11.01.2018 zugesagte Konnexität einvernehmlich umgesetzt wird.

Unter dieser Bedingung empfiehlt der Vorstand den Selbstverwaltungsgremien der kreisfreien Städte, dem beigefügten Rahmenvertragsentwurf zuzustimmen.

 

Hinzuweisen – neben der unten aufgeführten Kostenregelung -  ist explizit auf die in § 33 des Rahmenvertragsentwurfes enthaltene Regelung zur Überleitung von Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen zum 1. Januar 2020, die sicherstellen soll, dass ein geordneter Übergang vom „alten“ zum geltenden Recht operativ durchführbar ist. Die Überleitungsvereinbarung ist längstens zum 31.12.2021 befristet. Für heilpädagogische Leistungen in Kindertagesstätten gilt abweichend eine Befristung bis zum 31.08.2023.

 

Nicht alle identifizierten Regelungsbereiche konnten endgültig bearbeitet bzw. geeint werden. Diese Themen (Anlage) werden in den Arbeitsgruppen ab Ende April 2019 intensiv bearbeitet und bis zum 31.12.2019 in der Verhandlungsgruppe abschließend beraten werden.

 

Damit der künftige Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX einschließlich seiner Überleitungsregelungen in der am 24.04.2019 verhandelten Fassung umgesetzt wird, um so insbesondere im Interesse der Menschen mit Behinderungen die gelingende Umsetzung des Systemwechsels in der Eingliederungshilfe ab 01.01.2020 zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass alle Träger der Eingliederungshilfe dem Abschluss des Rahmenvertrages nach § 131 SGB IX explizit zustimmen.

 


Finanzierung der Eingliederungshilfe

 

Mit dem ersten Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (1. Teilhabestärkungsgesetz) vom 22.03.2018, GS Schl.-H. II, Gl.Nr. 865-1, werden in Artikel 1, Gesetz zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (AB-SGB IX), § 1 Abs. 1 die Kreise und kreisfreien Städte neben dem Land als Träger der Eingliederungshilfe bestimmt. Damit werden die Kreise und kreisfreien Städte erstmals in die Pflicht genommen, die Aufgaben der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX zu erfüllen. Verfassungsrechtlich ergibt sich aus dieser Aufgabenübertragung ein Anspruch der Kreise und kreisfreien Städte auf Anerkennung der Konnexität nach Artikel 57 der Landesverfassung. Im 1. Teilhabestärkungsgesetz sind entsprechende Formulierungen lediglich im Begründungsteil aufgenommen worden, in der Vereinbarung zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den kommunalen Landesverbänden über finanzielle Entlastungsmaßnahmen vom 11. Januar 2018 wurde festgehalten: 

 

„Das Land erkennt die Konnexität der durch das Bundesteilhabegesetz verursachten Mehrausgaben an, soweit diese über die Kostenentwicklung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII hinausgehen.“

 

Unabhängig von den noch nicht ermittelbaren Kosten für die Umsetzung der Aufgaben nach dem SGB IX ab 2020 ist es erforderlich, den Mechanismus einer Kostenregelung zu vereinbaren, der sicherstellt, dass die kommunalen Träger künftig finanziell nicht stärker belastet werden als derzeit mit der Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB XII. Sämtliche zusätzlichen Aufwendungen der Städte durch die Aufgabenübertragung nach dem SGB IX sind vom Land auszugleichen.

Hier besteht ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Finanzierung der Sozialhilfeausgaben nach dem SGB XII, die bis Ende 2019 auch die Ausgaben für die Eingliederungshilfe beinhalten. Nach der Kommunalisierung der Eingliederungshilfe trägt das Land derzeit 79 % der (landes)weiten Ausgaben der örtlichen Sozialhilfeträger (§ 8 AG-SGB XII). Für die einzelnen Sozialhilfeträger wurden zuletzt auf Basis der jeweiligen Sozialhilfeausgaben von 2016 (unterschiedlich hohe) Budgets festgelegt, die mit 2,5% jährlich dynamisiert wurden und bis 2019 festgeschrieben sind.

Bereits im Dezember 2017 hat der Vorstand des Städtetags dem Finanzierungsvorschlag des Landes für die Sozialhilfeausgaben in den Jahren 2018 und 2019 und damit der Berücksichtigung einer um 1,2%igen geringeren Kostensteigerung als gefordert, nur unter der Voraussetzung zugestimmt, dass ab 2020 ein neues Finanzierungsmodell etabliert wird, das jedem Träger der Eingliederungshilfe mindestens 80% der Gesamtausgaben zuzüglich der erforderlichen Personalaufwendungen für die Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB IX zusichert.

 

Für die Finanzierung der Eingliederungshilfe gilt es nun zu beschreiben, wie sich das Verhältnis der Kosten einer fiktiven Fortführung der Eingliederungshilfeleistungen nach in Inkrafttreten des BTHG zu den realen Kosten des BTHG bemisst.

Die Gespräche zur Finanzierung der Eingliederungshilfe werden derzeit zwischen dem Staatssekretär im Sozialministerium und den Geschäftsstellen von Städteverband und Landkreistag geführt.

 


Anlagen

Landesrahmenvertrag Stand 24.04.2019 (nebst Anlagen 1 – 4)

 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich 20190424 Landesrahmenvertrag Stand 24.04.19 (480 KB)    
Anlage 2 2 öffentlich Anlage 1_Inhalt und Verfahren bei Prüfungen Stand 24.04.2019 (274 KB)    
Anlage 3 3 öffentlich Anlage 2_Kürzung der Vergütung Stand 24.04.2019 (168 KB)    
Anlage 4 4 öffentlich Anlage 3_Kalkulationseckpunkte Stand 24.04.2019 (15 KB)    
Anlage 5 5 öffentlich Anlage 4_ Modell SH Stand 24.04.2019 (482 KB)