Anfrage:
Hintergrund:
Im Nachgang des CSD in Norderstedt, bei dem auch der Lübeck Pride e. V. vertreten war, veröffentlichte eine Landtagsabgeordnete der AfD aus Niedersachsen ein diffamierendes Posting gegen die Veranstaltung und die dort eingesetzte LGBTIQ-Ansprechstelle der Landespolizei Schleswig-Holstein. Der Beitrag erreichte auf der Plattform „X“ (ehemals Twitter) fast 500.000 Aufrufe und löste eine Welle queerfeindlicher und polizeifeindlicher Kommentare aus – über 2.000 Beiträge, darunter zahlreiche Schmähungen und gezielte Angriffe auf Polizeibedienstete, die sich für Vielfalt und Grundrechte einsetzen.
Dieser Vorfall ist exemplarisch für eine Strategie rechter Akteur*innen, queere Sichtbarkeit und staatliche Institutionen gegeneinander auszuspielen und das Vertrauen in demokratische Strukturen zu untergraben. Besonders problematisch ist, dass die Polizei – als Garantin des Grundgesetzes – ins Visier genommen wird, wenn sie ihre Schutzfunktion gegenüber marginalisierten Gruppen wahrnimmt.
Mit Blick auf bevorstehende Veranstaltungen wie den Lübeck Pride stellt sich die Frage, wie die Stadt Lübeck, die Polizei und andere Institutionen auf diese Entwicklungen reagieren und wie sie queere Initiativen und Einsatzkräfte gleichermaßen vor digitalem und physischem Hass schützen.
Vor diesem Hintergrund bitten wir um die Beantwortung folgender Fragen:
Antwort:
- Wie bewertet die Stadtverwaltung die queerfeindlichen und polizeifeindlichen Angriffe im Nachgang des CSD Norderstedt durch die AfD-Landtagsabgeordnete aus Niedersachsen?
Antwort der Hansestadt Lübeck:
Die Stadtverwaltung Lübeck verurteilt grundsätzlich jede Form von Hass, Hetze und Diskriminierung – unabhängig davon, gegen wen sie sich richtet. Die Stadtverwaltung betont, dass die freie Meinungsäußerung ein wesentliches Grundrecht darstellt. Dort, wo jedoch die Schwelle zur Verunglimpflichung, Diskriminierung oder Aufstachlung zu Hass überschritten wird, greift das geltende Strafrecht. Entsprechende Sachverhaltung und Erkenntnisse werden der Polizei zur weiteren Veranlassung übergeben oder direkt zur Anzeige gebracht.
- Welche Schlussfolgerungen zieht die Stadt Lübeck im Hinblick auf anstehende Veranstaltungen wie den Lübeck Pride aus dieser öffentlichkeitswirksamen Hasskampagne?
Antwort der Hansestadt Lübeck:
Die Stadtverwaltung Lübeck beobachtet gesellschaftliche und politische Entwicklungen im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen wie dem Lübeck Pride sehr aufmerksam und steht im engen Austausch mit den zuständigen Sicherheitsbehörden und Veranstaltern. Die Hansestadt Lübeck wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass Veranstaltungen wie der Lübeck Pride in einem Klima des gegenseitigen Respekts und der gesellschaftlichen Offenheit stattfinden können.
Siehe auch VO/2025/14385 (2. Lübecker Aktionsplan Gleichstellung / Queer).
- Welche konkreten Schutzmaßnahmen plant die Polizei Lübeck für queere Veranstaltungen, um sowohl die Sicherheit der Teilnehmenden als auch der unterstützenden Einsatzkräfte zu gewährleisten?
Antwort der Polizei:
Die Polizei Lübeck steht bei Veranstaltungen regelmäßig im engen und vertrauensvollen Austausch mit der Hansestadt Lübeck, die für die Bearbeitung gefahrenabwehrrechtllicher Aspekte originär zuständig ist. Die Ergebnisse veranstaltungsspezifischer Gefahrenanalysen der Polizei werden in Beratungsgespräche und Empfehlungen an die Stadt Lübeck für die Sicherheit der jeweiligen Veranstaltungen einbezogen, um besonderen Gefahrenpotentialen adäquat begegnen zu können.
- Wie erfolgt die Gefahrenanalyse im Hinblick auf gezielte digitale Mobilisierung durch rechtsextreme oder queerfeindliche Gruppen?
Antwort der Polizei:
Sowohl der Staatsschutz des LKA als auch der polizeiliche Staatsschutz in der Fläche durch das Kommissariat 5 der Bezirkskriminalinspektion Lübeck erheben, analysieren und bewerten in enger Zusammenarbeit regelmäßig Lageinformationen im Zusammenhang mit Veranstaltungen und Versammlungslagen. Dies gilt auch für mögliche gezielte, digitale Mobilisierungen durch Rechtsextreme oder queerfeindliche Gruppen.
- Welche Unterstützungssysteme stehen Polizeibediensteten zur Verfügung, die durch Hassrede und persönliche Angriffe im Netz belastet sind – etwa psychologische Betreuung oder juristische Unterstützung?
Antwort der Polizei:
Den Polizeibediensteten stehen umfangreiche Hilfs- und Beratungsangebote zur Verfügung, um mit belasteten Einsätzen oder Situationen umzugehen oder Betreuung nach erfahrener psychischer oder physischer Gewalt zu erhalten. Die Polizeidirektion Lübeck verfügt einerseits über speziell geschulte Betreuer nach belasteten Einsätzen, die jederzeit angefordert und kontaktiert werden können, um qualifizierte Unterstützung zu erhalten. Dieses Angebot wird durch die Personalvertretungen, den Landespsychologischen Dienst, die Polizeiseelsorge und den ärztlichen Dienst der Landespolizei insgesamt erweitert, welche allen Polizeibediensteten zur Verfügungen stehen.
Seit 2018 ist zudem die Zentrale Ansprechstelle LSBTIQ* fest in die Struktur der Landespolizei integriert, die auch nach innen für die Polizeikräfte der LSBTIQ*-Community als Ansprech- und Kontaktstelle zur Verfügung steht. Sie dienst sowohl als professioneller Opferschutz für die betroffenen Polizeibediensteten als auch als Hilfseinrichtung für jedwede Form von Beratung und Unterstützung.
Die Gewährung von Rechtsschutz ist Ausfluss der dienstlichen Fürsorgeverpflichtung und wird daher unter definierten Voraussetzungen den Polizeibediensteten ermöglicht. Gleichzeitig erhalten Polizeibedienstete bei Bedarf psychologische Prozessbegleitung.
- Welche Rolle spielt der Staatsschutz bei der Bewertung solcher digitaler Angriffe gegen die Polizei im Kontext queerfeindlicher Hasskampagnen?
Antwort der Polizei:
Sofern der Polizei strafrechtlich relevante Aussagen oder Kommentare bekannt werden, wird sie im Rahmen der Strafverfolgung tätig. Richten sich diese gegen die sexuelle Orientierung und/oder die geschlechtliche Identität von Menschen so werden sie als Hasskriminalität durch die Dienststellen des polizeilichen Staatschutzes bearbeitet.
Dies erfolgt unabhängig vom beruflichen Status der Geschädigten.
- Wie werden potenzielle Nachwirkungen auf zukünftige Veranstaltungen bewertet – etwa im Hinblick auf Selbstzensur, Rückzug von Ehrenamtlichen oder Vertrauensverlust in staatlichen Schutz?
Antwort der Hansestadt Lübeck:
Die Stadtverwaltung Lübeck nimmt Hinweise auf potenzielle Verunsicherung von ehrenamtlich Engagierten, Veranstaltenden oder Teilnehmenden sehr ernst.
Die Förderung eines sicheren und diskriminierungsfreien öffentlichen Raums bleibt ein zentrales Anliegen der Stadtverwaltung, unabhängig von politischen Kontroversen oder medialen Debatten.
- Gibt es Überlegungen, eine städtische oder polizeiliche Task-Force zum Schutz vor digitalem Hass gegen marginalisierte Gruppen und ihre Unterstützer*innen in der Exekutive einzurichten?
Antwort der Polizei:
Bisher gibt es keine Überlegungen eine eigene, polizeiliche Task-Force speziell zum Schutz vor digitalem Hass gegen marginalisierte Gruppen und ihre Unterstützenden einzurichten.
- Wie plant die Stadt, sich öffentlich sichtbar mit den angegriffenen Beamt*innen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen solidarisch zu zeigen – etwa durch offizielle Erklärungen, öffentliche Veranstaltungen oder digitale Gegenrede?
Antwort der Hansestadt Lübeck:
Im Bedarfsfall wird die Hansestadt Lübeck über die ihr zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle klar Stellung beziehen, um Diskriminierungen entgegenzuwirken.