Beschluss:
Vorbemerkung:
1. "80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause versorgt. Aber die Zahl der Heimplätze und ambulanten Versorger nimmt zu - und damit der Bedarf an Personal. Ermöglichen muss die Gesellschaft beide Modelle.
Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt stetig. Zum einen leben die Menschen länger, zum anderen verschiebt sich aufgrund des Geburtenrückgangs seit den 1970er-Jahren auch die Altersverteilung der Bevölkerung zugunsten der Älteren. Das führt dazu, dass nicht nur der Pflegebedarf wächst, sondern auch die Nachfrage nach qualifizierten Kräften ["Personal" anstatt "Kräfte"; Anm. des Verfassers], die die zumeist Hochbetagten versorgen. (…) Vier von fünf der 4,1 Millionen Pflegebedürftigen leben in den eigenen vier Wänden und werden meist von ihren Angehörigen versorgt. (…) Daher wird der Bedarf nach ambulanter und stationärer Pflege durch Profis und Hilfskräfte [Hilfspersonen] weiter wachsen. Derzeit arbeiten rund 600.000 Beschäftigte, mehrheitlich Frauen, unmittelbar in der Heimpflege, davon ist fast die Hälfte 50 Jahre und älter. In Prognosen wird von einer Personallücke von 307.000 Arbeitskräften bis zum Jahr 2035 ausgegangen." ¹
2.
a. Auch die Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck zeigt, dass die Zahl der Langzeit-Pflegebedürftigen prognostisch zunehmen wird ². Und dies alles vor dem Hintergrund eines bereits bestehenden Pflegepersonalmangels (der sogenannte "Pflegenotstand"), welcher auch die Hansestadt Lübeck betrifft ³.
b. Bereits 2020 erarbeitete der Beirat für Seniorinnen und Senioren der Hansestadt Lübeck folgende Eckpunkte zur Entwicklung der städtischen SeniorInneneinrichtungen (folgend SIE genannt). Diese umfassten u.a. folgende Forderungen/Empfehlungen:
- Aufgaben und Angebote gehören zur kommunalen Daseinsvorsorge. Die zukünftigen pflegerischen Angebote haben sich an der demografischen Entwicklung zu orientieren.
- Die SIE sind den heutigen Ansprüchen entsprechend in Ausstattung, baulichen Anforderungen und neuen Angebotsstrukturen weiter zu entwickeln.
- Bestehende und neue pflegerische Angebote wie ambulante Leistungen, neue Wohnformen sind zu entwickeln.
- Die Pflege in der Bundesrepublik Deutschland ist, wie auch im 2. Pflegestärkungsgesetz verankert, nach dem Grundsatz ambulant vor stationär zu gestalten. Dem Pflegebedürftigen ist damit weiterhin ein Leben in häuslicher Umgebung zu garantieren. Der ambulante Ansatz ist durch alternative Wohnformen wie Altenwohngemeinschaften, Mehrgenerationen-Wohnanlagen, Altenwohnungen usw. zu ergänzen.
- Soweit Pflege in diesem Wohnumfeld nicht mehr möglich ist, ist auch in Zukunft stationäre Pflege zu gewährleisten. Die Hansestadt Lübeck ist im Rahmen der Daseinsvorsorge gehalten, im Rahmen der zu erwartenden demografischen Entwicklung für ein bedarfsgerechtes Angebot von stationärer Pflege zu sorgen." 4
3. Aus diesen Entwicklungen und Prognosen ergeben sich folgende abgeleitete Fragen zu folgenden Themenkomplexen:
I. Attraktivitätssteigerung als Arbeitgeber:in (Pflegepersonalmangel)
II. Attraktivitätssteigerung als Pflegeanbieter:in (Pflegebedarf der Bevölkerung der Hansestadt Lübeck)
III. Attraktivitätssteigerung als Pflegeanbieter:in (infrastrukturelle Ausstattung / Digitalisierung)
IV. Attraktivitätssteigerung Pflegestandort ("Pflegestadt" Lübeck)
Diese einzelnen Fragenkomplexe werden zeitlich gestaffelt (im Abstand von 4-6 Wochen) in die Bearbeitung gegeben (als insgesamt 3 Anfragen in den Ausschuss gestellt).
Teil 3
IV. Attraktivitätssteigerung Pflegestandort ("Pflegestadt" Lübeck)
Anhand der im Sozialatlas der Heinrich Böll Stiftung aufgezeigten Entwicklungen, aber insbesondere auch im Hinblick auf die Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck zeigt sich, dass der Bereich Pflege nicht nur perspektivisch mit hoher Priorität anzusehen ist. Die Hansestadt Lübeck hat zwar bereits bestehende gute Angebote, allerdings gäbe es weitere Anregungen, die den Pflegestandort Hansestadt Lübeck aufwerten würden. Hierbei gilt es (pflege)politische Impulse aufzugreifen, als auch bestehende Angebote auszubauen und den Umgang mit diesen zu reflektieren und anzupassen. Diesbezüglich möchten wir als Fraktion 21 folgende diesbezüglich stellen, bzw. entsprechende Anregungen geben:
- Wie werden/können der duale Bachelorstudiengang Pflege und der berufsbegleitende Bachelorstudiengang Angewandte Pflegewissenschaft der Universität zu Lübeck als bisheriges Alleinstellungsmerkmal in Schleswig-Holstein beworben (werden)?
- Laut der Pflegebedarfsplanung der Hansestadt Lübeck arbeiten im Lübecker Pflegestützpunkt zwei sozialpädagogische Fachpersonen und eine Verwaltungsangestellte 5. Zwar können insbesondere die sozialpädagogischen Fachpersonen inhaltlich beraten, allerdings wäre die zusätzliche pflegerische Expertise im Hauptamt ebenso wünschenswert.
- Gibt es diesbezügliche Bestrebungen, ggf. auch in Zusammenarbeit/Kooperation mit den pflegebezogenen Bachelorstudiengängen der Universität zu Lübeck, hinsichtlich möglicher Ausschreibungen/Praktika?
- Der Bereich "Community Health Nursing" (veraltet auch als "Gemeindeschwester" bezeichnet) wird pflegepolitisch 6 als auch im Wahlkampf zur Landtagswahl 2022 7 breit diskutiert und als ein Lösungsansatz zur Bewältigung kommender Versorgungsprobleme angesehen. Auch in der Pflegebedarfsplanung wird im Rahmen der Pflegekonferenz darauf Bezug genommen und diese empfehlenswerterweise gefordert 8.
- Gibt es Bestrebungen seitens der Hansestadt Lübeck, diesen Bereich zu forcieren und entsprechende Versorgungsmodelle/-projekte zu implementieren?
- Laut der Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck ist zur Konkretisierung der Vision 2030 ein politischer Beteiligungsprozess zu entwickeln, z.B. in Form einer Zukunftswerkstatt oder eines regelmäßigen Begleitausschusses 9.
Wie ist der diesbezügliche Stand?
- Seitens der Pflegepolitik und -wissenschaft wird seit langem die Beteiligung der Profession Pflege auf strategischer Ebene im Sinne einer "Government Chief Nurse" / Pflegebeauftragte:r gefordert. Deren Aufgabe ist es, eine wesentliche Rolle für Planung, Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Gesundheitsstrategien einzunehmen 10. Anhand der bereits in der Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck aufgezeigten Entwicklungen und Bedarfe könnte solch eine Instanz die pflegerische Zukunft der Hansestadt Lübeck als "Pflegestadt" Lübeck entscheidend voranbringen.
- Gibt es Überlegungen eine:n Pflegebeauftragte:n der Hansestadt Lübeck zu installieren und wenn nein, was sind die Gründe für die Ablehnung?
Quellen:
¹ Heinrich Böll Stiftung (2022). Sozialatlas. Daten und Fakten über das, was unsere Gesellschaft zusammenhält, S. 40 - 41. URL: https://www.boell.de/sites/default/files/2022-03/Sozialatlas_2022.pdf
² Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck, S. 80
³ Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck, S. 63 ff
4 Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck, S. 107 - 108
5 AOK Bundesverband 2019, S. 24 ff
5 Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck, S. 32
6 Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe. Community Health Nursing. URL: https://www.dbfk.de/de/themen/Community-Health-Nursing.php
7 Wahlprogramm der SPD Schleswig-Holstein zur Landtagswahl 2022. Vor-Ort-für-Dich-Kraft. URL: https://www.spd-schleswig-holstein.de/2022/02/10/thomas-losse-mueller-will-die-vor-ort-fuer-dich-kraft/
8 Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck, S. 86
9 Pflegebedarfsplanung 2017 - 2030 der Hansestadt Lübeck, S. 83
10 International Council of Nurses / Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (2020). 2020 hat nur die Hälfte aller Länder Pflegebeauftragte URL: https://www.dbfk.de/media/docs/presse/ICN-Aufruf-Government-Chief-Nursing-Officers.pdf
Beschlusstext zur Bekanntgabe im öffentlichen Teil:
(nur bei nichtöffentlichen Vorlagen)