Hr. Dr. Lokers erläutert die Frage, wo Lübeck aktuell in der Erinnerungskultur und diesbezüglich im Vgl. zu anderen Städten stehe. Dies betreffe nicht nur die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus, sondern auch an die jüngere, deutsch-deutsche Teilungsgeschichte. Lübeck komme eine besondere Bedeutung in der deutschen Erinnerungslandschaft zu: u. a. Lübeck als „hotspot“ im Kalten Krieg und regionale NS-Terrorzentrale sowie einzigartiger Fall der Ermordung von vier Geistlichen in Lübeck. Der vorliegende Bericht gebe eine Übersicht über lokale Gedenkorte, -anlässe und -akteure hinsichtlich Erinnerungskultur, beanspruche dabei aber keine lückenlose Vollständigkeit für sich.
Es fehle in Lübeck eine inhaltlich tiefergehende Fundierung und ein Konzept für didaktische Erinnerungsarbeit. Die hiesige Erinnerungskultur sei stark zerklüftet, wenig zielgruppenbezogen, aber viel anlassbezogen. Ziel sei es, angesichts radikaler gesellschaftlicher Zeitströmungen, wie Rassismus, Antisemitismus und sog. Fake News, ein „doppeltes Gedenken“ zu etablieren, also gegenwartsbezogene und zukunftsorientierte Gedenkarbeit. Diese Vorlage beinhalte Vorüberlegungen für ein fundiertes Konzept, womit ein guter Weg eingeleitet sei, um eine Studie zur Erinnerungskultur mit digitalen Konzepten gemeinsam mit dem ZKFL zu erarbeiten. Die Finanzierung dieses Vorhabens sei weitestgehend gesichert. Hr. Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Fouquet, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten, habe finanzielle und personelle Unterstützung zugesagt.
AM Petereit bedankt sich für die Ausführungen und den Bericht. Er halte den Beschlussvorschlag für wichtig und richtig, um vertiefend in die Projektarbeit einsteigen zu können.
Hr. Prof. Dr. Borck, Sprecher des ZKFL stellt Vorhaben und Hintergrund für ein Entwicklungskonzept für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Erinnerungskultur in Lübeck vor. Derzeit vollziehe sich ein generationeller Umbruch: Die bisherige Erinnerungsarbeit an die Zeit des Nationalsozialismus über Zeitzeug:innen stehe vor einem Wendepunkt, da die Zeitzeugenschaft der NS-Zeit im Entschwinden sei. Daher müsse ein neues und zukunftsweisendes Vermittlungskonzept erarbeitet werden. Historisches Lernen und politische Bildungsarbeit werde bereits dezentral über verschiedene Einrichtungen und Initiativen in Lübeck geleistet, aber nicht zentral zusammengeführt. Das ZKFL werde das Projekt koordinierend begleiten, als sog. Scharnierstelle zwischen Universität und Verwaltung tätig sein sowie kulturwissenschaftliche und historische Fragestellungen einbringen.
AM Schedel bedankt sich bei Hr. Dr. Lokers und Hr. Prof. Dr. Borck für ihre Beiträge. In diesem Zusammenhang verweist sie auf den Umgang mit dem früheren Finanzsenator Georg Kalkbrenner (1875–1956), der trotz seines politischen Handelns weiterhin als Ehrenbürger geführt werde. Darüber hinaus gebe es im Stadtteil St. Jürgen ebenso noch die Kalkbrennerstraße. Beides solle ihrer Meinung nach entfernt werden.
AV Stolzenberg macht auf die heutige, landesweite „Nie wieder“-Aktion mit Reinigung der Stolpersteine als symbolischer Akt gegen das Vergessen und für das Erinnern aufmerksam, an der sich Lübecker Politiker:innen und Wählervereinigungen beteiligen.
Der Sitzung sind eine ausführlichere „Projektskizze“ vom ZKFL und ein „Statement“ der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten als Anlage angefügt.