Vorlage - VO/2024/12954  

Betreff: Bericht zur Umsetzung der Inklusiven Lösung für junge Menschen (SGB VIII/ IX)
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Monika Frank
Federführend:4.041 - Fachbereichs-Dienste Bearbeiter/-in: Drescher, Thorsten
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Soziales zur Kenntnisnahme
05.03.2024 
8. Sitzung des Ausschusses für Soziales zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
26.03.2024 
12. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
28.03.2024 
7. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck in der Wahlpriode 2023 - 2028 zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Jugendhilfeausschuss zur Kenntnisnahme
07.03.2024 
5. Sitzung des Jugendhilfeausschusses (Wahlperiode 2023 - 2028) zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

 

Sachstandsbericht zur Umsetzung der Zusammenführung der Leistungen von jungen Menschen mit Behinderung unter dem Dach der Jugendhilfe gem. Bürgerschaftsbeschluss vom 25.06.2020 (VO/2020/08926-06).


 


Begründung

 

Auftrag und gesetzliche Rahmenbedingungen

 

Die Bürgerschaft hat am 25.06.2020 folgenden Beschluss gefasst (VO/2020/08926-06):

 

(…) Zudem wird der Bürgermeister beauftragt, die Zuständigkeiten (SGB VIII und IX) für Kinder und junge Menschen (mit und ohne Beeinträchtigung) in Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention in einem Fachbereich so zusammenzuführen und zu bündeln, dass unnötige Schnittstellen entfallen, Entscheidungen aus einer Hand getroffen und Verwaltungswege verschlankt werden. Die Antragssteller befürworten eine Zusammenführung im FB 4. (…)“

 

Der Bürgermeister hat, wie empfohlen, den Fachbereich 4 mit der Abarbeitung des Beschlusses beauftragt.

 

Zeitgleich fanden auf Bundesebene die finalen Abstimmungen zur SGB VIII-Reform (KJSG - Kinder- und Jugendstärkungsgesetz) statt, die unter anderem die Grundsteinlegung für die sogenannte „Große / Inklusive Lösung“ beinhaltet. Mit diesem Gesetz, welches im Juni 2021 verabschiedet wurde, erfolgt u.a. die Verankerung der Inklusion als Leitgedanke der Kinder- und Jugendhilfe. Für Kinder und Jugendliche mit Behinderung und ihre Eltern soll es deutlich leichter werden, ihre Rechte zu verwirklichen und die Leistungen zu bekommen, die ihnen zustehen. Es wurden die Weichen gestellt, dass sukzessive die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX bis 31.12.2027 in die Kinder- und Jugendhilfe überführt werden. Die Umsetzung soll in drei Stufen erfolgen:

 

  • Die erste Stufe wurde bereits zum 10.06.2021 auf den Weg gebracht. Diese sieht zum einen eine verbindlichere inklusive Jugendhilfe u.a. durch die Verpflichtung zur adressatengerechten, d.h. auch barrierefreien, Aufgabenwahrnehmung sowie inklusiven Kinderschutz, vor. Sie beinhaltete darüber hinaus auch Vorgaben zur Verbesserung der Schnittstelle zwischen dem SGB VIII und IX durch regelhafte Involvierung der Jugendämter in die Gesamtplanungsprozesse der Eingliederungshilfe sowie die gemeinsame Planung von Jugendämtern und Trägern der Eingliederungshilfe im Falle von Zuständigkeitsübergängen.

 

  • Mit der Stufe zwei haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe spätestens ab 01.01.2024 Fachkräfte vorzuhalten, die als Verfahrenslotsen einerseits die Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe bzw. ihre Eltern in der Antragstellung, Verfolgung und Wahrnehmung dieser Leistungen individuell beraten und unterstützen und andererseits bei den strukturell-organisatorischen Aufgaben zur internen Gestaltung der jugendamtlichen Gesamtzuständigkeit unterstützen.

 

  • Ab 01.01.2028 tritt mit der dritten Stufe das Kernstück der „Großen / Inklusiven Lösung“ in Kraft, d.h. der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist unterschiedslos für alle jungen Menschen (gesamt-) zuständig. Die bis dato bestehende vorrangige Leistungszuständigkeit nach dem SGB IX für junge Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen entfällt. Allerdings ist dieses Inkrafttreten der dritten Stufe mit der Voraussetzung verbunden, dass bis spätestens 01.01.2027 im Rahmen eines eigenen Gesetzgebungsverfahrens das „Wie“ der Umsetzung abschließend festgeschrieben ist.

 

Mit Blick auf die Hansestadt Lübeck bedeutet die Umsetzung der „großen / inklusiven Lösung“, dass zukünftig die Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche, die bisher im Fachbereich 2, Wirtschaft und Soziales, Bereich Soziale Sicherung, erbracht werden in die Zuständigkeit des Fachbereiches 4, Bereich Familienhilfen/Jugendamt übergehen.

 

 

Ausgangslage

 

Die Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche, die geistig und/oder körperlich behindert oder von einer entsprechenden Behinderung bedroht sind, bei denen eine Doppeldiagnose vorliegt und alle Kinder, die Frühförderung oder einen integrativen Kitaplatz benötigen, waren bis zum 31.12.2023 in Zuständigkeit des Bereichs Soziale Sicherung (SGB IX), während Leistungen und Unterstützungen für alle anderen Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Jugendhilfe durch den Bereich Familienhilfen/Jugendamt geleistet werden (SGB VIII).

 

Diese besondere Aufgabenteilung führt nicht selten aufgrund der Komplexität der Aufgaben zu einem sehr hohen Abstimmungsbedarf in den beiden Fachbereichen. Für die Bürger:innen entstand hieraus eine unübersichtlicher Komplex an Zuständigkeiten, Ansprechpartner:innen und Verfahrensabläufen, die zukünftig übersichtlicher und eindeutiger bei der Hansestadt organisiert sein werden.

 

 

Umsetzung des Bürgerschaftsbeschlusses

 

Vor dem Hintergrund, dass die Reform des SGB VIII mit großen Herausforderungen für die öffentliche Jugendhilfe verbunden ist, wurde entschieden, zunächst die Gesetzesänderung abzuwarten, um die Kenntnisse der Rahmenbedingungen für den Lübecker Prozess besser nutzen zu können.

 

Nach anschließender grundsätzlicher Abstimmung auf Fachbereichsebene und einleitender Abstimmung zwischen den Bereichen Soziale Sicherung und Familienhilfen Jugendamt ab Sommer 2022 wurden im Januar 2023 die Mitarbeitenden der beiden betroffenen Bereiche im Rahmen einer gemeinsam geplanten Auftakt- und Informationsveranstaltung über das Vorhaben in Kenntnis gesetzt und die praktische Umsetzung gestartet.

 

Oberstes Ziel der Umsetzung des Bürgerschaftsbeschlusses ist eine für die Leistungsberechtigten möglichst „geräuschlose“ Vollziehung des Vorhabens. Dieses setzt eine gemeinsame Haltung voraus. Auch die betroffenen Mitarbeitenden sollten möglich schnell Klarheit über die Umsetzungsplanung erhalten. Sowohl im Bereich Familienhilfen Jugendamt als auch Soziale Sicherung stehen mit der Reform einschneidende Veränderungen sowohl mit Blick auf die Übergabe, den Aufbau- als auch Ablauforganisation an. Es handelt sich hierbei um eine zeitintensive und anspruchsvolle Umorganisation, die durch beide Fachbereiche geleistet wurde. Die Vorbereitungsphase begann bereits im Sommer 2022 und die finale Umsetzung wird bis ca. Juni 2024 andauern. Der Übergang der Zuständigkeit hat Auswirkungen auf die personeller und organisationaler Ebene sowie auf die haushälterische Ordnung.

 

Zum 01.01.2024 wurden dann die Fachkompetenzen aus den Bereichen Soziale Sicherung und Familienhilfen Jugendamt unter dem Dach der Jugendhilfe gebündelt. Damit werden im ersten Schritt die verwaltungsinternen Schnittstellen zwischen den beiden Fachbereichen und Bereichen minimiert. In einem weiteren Schritt sollen die verbleibenden Schnittstellen der beiden Rechtskreise (SGB VIII / SGB IX) innerhalb der Organisationseinheit Familienhilfen Jugendamt mit dem langfristigen Ziel „inklusiver Sozialdienst für junge Menschen und ihre Familien“ betrachtet werden.  Bis zur gesetzlichen Inklusiven Lösung sind die Leistungen nach den jeweils geltenden Sozialgesetzbüchern zu prüfen und zu gewähren.

 

r die Umsetzung des ersten Schrittes ist die Zuordnung der Aufgaben zu einer Abteilung des Bereiches Familienhilfen Jugendamt ein erforderlicher Zwischenschritt zur Zielerreichung.

 

Dabei werden die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche beider Bereiche (gem. SGB VIII und SGB IX) unter einer Leitung zusammengefasst. Die Prozesse beider Aufgabenbereiche werden aufeinander abgestimmt und zunächst in einer Abteilung (Abteilung 3, Fachdienste der Jugendhilfe) bearbeitet. Hierbei sollen die Mitarbeitenden beider Rechtskreise eng miteinander verzahnt arbeiten und sich gegenseitig das vorhandene Fachwissen vermitteln (u.a. durch gemeinsame Fallbesprechungen). Im Prozess aufkommende Fragen, Anregungen, Beschwerden können somit zeitnah und übergreifend über die gemeinsame Leitung geklärt werden. Dieses bietet die Chance, dass sich hieraus schnell ein gemeinsames Verständnis von Führung, Teilhabeplanung und von Sachbearbeitung etablieren und eine gemeinsame Kultur entwickeln kann.

 

Mit Abschluss der ersten Phase und der Überführung der Aufgaben in eine Abteilung des Bereiches Familienhilfen Jugendamt sollen bereits erhebliche Schnittstellen reduziert und eine besser koordinierte Leistungserbringung für die Bürger:innen erreicht werden.

 

Mit dem abgebenden Bereich 2.500 Soziale Sicherung wurde u.a. aufgrund der umfangreichen Einarbeitungen (der zum Teil neuen Kolleg:innen und der noch nicht vollständig besetzten Planstellen) ein prozesshafter, „sanfter“ Übergang abgestimmt, in dem in den kommenden Monaten oder bis längstens Ende Juni 2024 Kolleg:innen aus dem Bereich 2.500 auch weiterhin fallführend/ beratend mitarbeiten und unterstützen. Involviert sind auch hier die betroffenen Führungskräfte von 2.500.

 

 

Weitere Vorgehensweise bis 01.01.2028

 

In der zweiten Phase sollen zunächst die Abläufe, Schnittstellen und Leistungserbringung innerhalb des Bereiches Familienhilfen Jugendamt spätestens bis zum 31.12.2027 weiterentwickelt werden.

 

Neben dem Ziel, sozialraumorientiert und somit dicht an den Familien die Leistungen der Eingliederungshilfe anbieten zu können, soll das Ziel „Hilfe aus einer Hand“ verfolgt werden. Hierzu wird es erforderlich sein, Teams zu entwickeln, in denen alle Mitarbeitende Teilhabeleistungen nach SGB VIII und SGB IX bearbeiten und sukzessive sicher und ressourcenschonend umsetzen bzw. die Leistungen in enger Kooperation mit der Fachlichkeit der Teammitglieder erbringen. Der hierfür erforderliche Wissenstransfer wurde bereits in der oben genannten ersten Phase initiiert und wird in der zweiten Phase intensiviert.

 

Die weitere Entwicklung in der zweiten Phase der Umsetzung wird zusätzlich noch wesentlich von der angekündigten gesetzlichen Regelung abhängen, die zum 01.01.2027 in Kraft treten soll. Hieraus können ggf. Kurskorrekturen/ -anpassungen resultieren, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar sind.


 


Anlagen