Vorlage - VO/2023/12748-04  

Betreff: Bericht zum Antrag der Fraktion LINKE & GAL: Lübecker Musikschulen (VO/2023/12748)
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Monika FrankBezüglich:
VO/2023/12748
Federführend:4.041 - Fachbereichs-Dienste Bearbeiter/-in: Jakubczyk, Nina
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege zur Kenntnisnahme
06.05.2024 
9. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege      

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Anlage 1_Positionspapier LVdMSH_Festanstellungen

Beschlussvorschlag

 

In der Sitzung der Bürgerschaft am 25.01.2024 wurde zu der Vorlage VO/2023/12748 (Lübecker Musikschulen) unter Punkt 3 folgender Beschluss gefasst:

Die Kulturverwaltung wird beauftragt, in Abstimmung mit den Lübecker Musik- und Kunstschulen ein Konzept zu erstellen, wie stufenweise eine Förderung der Musik- und Kunstschulen gestaltet werden kann, um eine Angleichung an eine tarifgebundene Vergütung der Lehrkräfte gem. TVöD. zu erreichen. Das Konzept ist zur Maisitzung des Kulturausschusses vorzulegen.


 


Begründung

  1. Ausgangssituation

Entwicklung der Förderung

Die beiden durch die Hansestadt Lübeck institutionell geförderten Musikschulen (Musik- und Kunstschule Lübeck gGmbH und Lübecker Musikschule der Gemeinnützigen) erhielten bis 2021 eine jährliche Zuwendung in Höhe von insgesamt 182.800 EUR. In Folge des politischen Beschlusses im November 2021 ist die Fördersumme in 2022 auf 200.000 EUR angehoben und ab 2023 eine jährliche Anpassung in Höhe der Tarifsteigerung im TVöD vorgenommen worden (VO/2021/10544). Für 2023 ergab sich somit eine Zuwendung in Höhe von 205.600 EUR. Für 2024 ist zusätzlich eine Erhöhung der Zuwendung um 200.000 EUR beschlossen worden (VO/2023/12748), sodass sich ein Betrag in Höhe von 415.640 EUR ergibt.

 

Finanzielle Ausstattung der Musikschulen

Basierend auf den letzten vorliegenden, durch Wirtschaftsprüfer geprüften Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2022, lagen die Gesamtausgaben beider Musikschulen in 2022 bei ca. 3,005 Mio. EUR. Die gesamten Personalkosten betrugen ca. 2,026 Mio. EUR.

Der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten betrug bei der Lübecker Musikschule der Gemeinnützigen rund 70 % und bei der Musik- und Kunstschule Lübeck gGmbH 65 %.

 

Anteil öffentlicher Förderung

In Schleswig-Holstein macht die öffentliche Förderung durch Kommunen und Kreise im Schnitt 33 % des Gesamtetats aus. Mit diesem geringen Anteil öffentlicher Förderung am Gesamtetat liegt Schleswig-Holstein im Bundesdurchschnitt auf dem vorletzten Platz.[1]  

Die Förderung der Hansestadt Lübeck bildet mit derzeit 415.640 EUR einen Anteil von
14 % am Gesamtetat der Lübecker Musikschulen. Hinzu kommt eine Förderung durch das Land Schleswig-Holstein in Höhe von 6 %, was dem landesweiten Durchschnitt entspricht.[2]

Gleichzeitig werden in Schleswig-Holstein mit einem Anteil von 54 % am Gesamtetat fast die höchsten Unterrichtsgebühren bundesweit erhoben.[3] Die beiden Lübecker Musikschulen finanzieren sich zu über 75 % durch Unterrichtsentgelte.

 

Auswirkungen des Herrenberg-Urteils: Verpflichtung zur Festanstellung von Honorarkräften

Im Jahr 2022 fällte das Bundessozialgericht ein Urteil, welches die Situation von freischaffenden Lehrkräften an Musikschulen sogenannten Honorarkräften betrifft. Das Gericht stellte fest, dass mangels unternehmerischer Freiheit eine echte Selbstständigkeit an einer Musikschule kaum herzustellen sei. [4] Obwohl es sich um eine Einzelfallentscheidung handelte, fand das Urteil bundesweit Beachtung. Der Landesverband der Musikschulen Schleswig-Holstein geht davon aus, dass der Einsatz von Honorarkräften nicht mehr rechtssicher möglich ist. Für die Musikschulen bedeutet das sog. „Herrenberg-Urteil“ meist eine Anpassung der Verträge hin zu sozialversicherungspflichtigen Festanstellungen.  Gemäß dem Landesverband üben knapp drei Viertel der rund 1.100 Lehrkräfte Honorartätigkeiten aus. Im Zuge einer Festanstellung der Honorarkräfte entstehe für die Musikschulen ein Mehrbedarf von mindestens 30 % der aktuellen Personalkosten ohne Berücksichtigung einer möglichen Vergütung nach dem TVöD (siehe Positionspapier LVdMSH, Anlage 1).    

 

  1. Mehrbedarf durch Entlohnung in Anlehnung an TVöD

Datengrundlage

Zur Erstellung des Konzepts zur Musikschulförderung wurden die Musikschulen im Jahr 2024 um eine Aktualisierung der bereits 2021 mitgeteilten Bedarfe gebeten. Über die festangestellten Mitarbeitenden hinaus, wurde vor dem Hintergrund des „Herrenberg-Urteils“ zusätzlich die Bezahlung von Honorarkräften betrachtet. Folgende Zahlen wurden von den Musikschulen geliefert:

  1. Gegenüberstellung der aktuellen Personalkosten für festangestellte Lehrkräfte und das Verwaltungspersonal mit der Bezahlung nach TVöD/VKA, um die Differenz zwischen derzeitiger Entlohnung und der nach TVöD zu ermitteln, 
  2. Schätzung der finanziellen Auswirkungen auf die Musikschulen durch die Umstellung von Honorarbeschäftigungen zu Festanstellungen nach TVöD/VKA als Folge des „Herrenberg-Urteils“.

 

 

 

 

 

 

 

Die Berechnung der Gehälter nach TVöD/VKA (ab 01.04.2024) wurde unter folgenden Prämissen durchgeführt:

-          ein Arbeitgeberanteil von 25 %,

-          ein im TVÖD vorgesehenes 13. Monatsgehalt,

-          r das Lehr- und Verwaltungspersonal eine Eingruppierung nach TVöD 9b bis 14, Stufen 1 bis 6,

-          die Anstellung der Honorarkräfte nach TVöD 9b, Stufe 1, wobei jede derzeit beschäftigte Honorarkraft eine Festanstellung mit dem derzeitigen Deputat erhält.

 

Daraus ergeben sich die folgenden, von den Musikschulen in 2024 vorgelegten Aufwüchse: 

 

Musik- und Kunstschule Lübeck gGmbH:

 

Anzahl

Haustarif

TVöD

[in €/a]

[in €/a]

Festangestellte Verwaltungskräfte

8

356.034

490.925

Festangestellte Lehrkräfte

20

629.909

1.122.834

Honorarkräfte

37

263.797

502.893

Gesamt

65

1.249.740

2.116.651

 

becker Musikschule der Gemeinnützigen:

 

Anzahl

Haustarif

TVöD

[in €/a]

[in €/a]

Festangestellte Verwaltungskräfte

9

182.277

247.743

Festangestellte Lehrkräfte

15

606.020

961.668

Honorarkräfte

97

677.435

1.420.761

 Gesamt

121

1.465.732

2.630.172

 

Beide Lübecker Musikschulen:

 

Anzahl

Haustarif

TVöD

 

[in €/a]

[in €/a]

Festangestellte Verwaltungskräfte

17

538.311

738.668

Festangestellte Lehrkräfte

35

1.235.929

2.084.502

Honorarkräfte

134

941.232

1.923.654

Gesamt

186

2.715.472

4.746.823

 

Ergebnis der Ermittlung der finanziellen Mehrbedarfe

Folgende Varianten ergeben sich aus der vorangestellten Aufstellung der finanziellen Mehrbedarfe:

 

Festangestellte

rden die festangestellten Verwaltungskräfte und Lehrkräfte vergleichbar zum TVöD vergütet werden, entstünde den Musikschulen nach ihren Angaben ein jährlicher Mehrbedarf in Höhe von 1.048.930 EUR. Dies ist ein Aufwuchs in Höhe von 59,1 % im Vergleich zur derzeitigen Bezahlung nach dem Haustarif.

Die Berücksichtigung nur der festangestellten Lehrkräfte durch Überführung aus dem Haustarif in den TVöD bedeutet eine Ausweitung von 848.573 EUR, das entspricht einer Steigerung von 68,7 %.

 

Honorarkräfte

rden die Honorarkräfte in einem festen Anstellungsverhältnis vergleichbar zum TVöD zu vergütet werden, entstünde den Musikschulen nach ihren Angaben ein jährlicher Mehrbedarf in Höhe von 982.422 EUR. Dies stellt einen Zuwachs von über 100 % gegenüber der aktuellen Vergütung dar und liegt somit deutlich über dem vom Landesverband prognostizierten Mehrbedarf von mindestens 30 % der aktuellen Personalkosten.

Das Problem dieses erheblichen Mehrbedarfs bei der Umstellung von Honorarbeschäftigung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wurde in einem Gespräch am 21.03.2024 mit den Musikschulen erörtert. Die Leiter der Musikschulen teilten hierzu mit, dass sie der Berechnung die Bezahlung nach dem TVöD zugrunde gelegt hätten im Gegensatz zur Schätzung des Landesverbandes der Musikschulen, welcher einen Arbeitgeberanteil (SV-Beiträge) und Nebenkosten von ca. 30 % nicht miteingerechnet habe. Um die tatsächlichen Verhältnisse abzubilden, führe der Landesverband derzeit eine Umfrage durch. Absehbar sei jedenfalls, dass bei einer Umwandlung von Honorarverträgen in an TVöD orientierte Verträge wesentlich höhere Mehrbedarfe zu erwarten seien als bei der Umwandlung in Hausverträge.

 

Festangestellte und Honorarkräfte

rden die gesamten Personalkosten r alle Festangestellten und alle Honorarkräfte unter Beachtung des Herrenberg-Urteils analog des TVöD bezahlt werden, würden sich diese laut Berechnung der Musikschulen auf 4.746.823 EUR belaufen. Dadurch ergäbe sich ein Mehrbedarf von insgesamt 2.031.352 EUR ggü. der bisherigen Kostenstruktur.

 

  1. Zusammenfassung und Ausblick

r die festangestellten Verwaltungskräfte und Lehrkräfte wurde ein jährlicher Mehrbedarf in Höhe von 1.048.930 EUR ermittelt (Differenz aus Bezahlung nach TVöD und jetziger Bezahlung). Würde dieser Mehrbedarf die zukünftige Fördersumme darstellen, würde der städtische Anteil 35 % der derzeitigen Gesamtausgaben decken.

 

Vor dem Hintergrund der durch das „Herrenberg-Urteil“ hervorgerufenen neuen Ausgangslage steht die Ausgestaltung der Verträge und somit der gesamte finanzielle Mehrbedarf der Musikschulen in puncto Honorarkräfte aktuell noch nicht fest. Es ist heute noch nicht absehbar, auf welche Honorarkräfte das Herrenberg-Urteil Anwendung findet. Der mit der Abfrage ermittelte hrliche Mehrbedarf in Höhe von 982.422 EUR bernahme in Anstellungsverhältnis nach TVöD) kann aber als erste Einschätzung dienen.

 

rden die gesamten Personalkosten (Festangestellte und dann angestellte Honorarkräfte) analog des TVöD bezahlt werden, würde sich laut Berechnung der Musikschulen ein Mehrbedarf von insgesamt 2.031.352 EUR ergeben.

 

Aufgrund der geänderten Ausgangslage durch das Herrenberg-Urteil wäre noch einmal die Zuwendungshöhe und der begünstigte Personenkreis politisch zu bewerten.  

 

  1. Fazit

Die Verwaltung weist darauf hin, dass selbst, wenn die städtische Förderung in welcher Höhe auch immer ausgeweitet würde, dies keine Absenkung der Unterrichtsgebühren oder eine Angebotsausweitung einschließt.

 

Es stellt sich deshalb die Frage, ob das Ziel der Angleichung an eine tarifgebundene Vergütung der Lehrkräfte gemäß TVöD weiterverfolgt werden soll.

 

Es kann vor dem Hintergrund der Haushaltslage nicht empfohlen werden, durch zusätzliche strukturelle städtische Förderung den finanziellen Mehrbedarf bei den Lübecker Musikschulen zu decken. Die Förderung der Lübecker Musikschulen ist eine freiwillige Leistung.

 

Aufgrund der Haushaltslage der Hansestadt Lübeck ist eine Deckung aus laufenden Mitteln nicht möglich. Der genehmigte Haushaltsplan 2024 weist einen Fehlbetrag in Höhe von 520.700 € aus, bereits jetzt zeichnet sich ein Mehraufwand gegenüber der Planung für Personalkosten in Höhe von 1,5 Mio. € ab und es ist mit Mindererträgen beim Kommunalen Finanzausgleich in Höhe von ca. 26 Mio. € zu rechnen.[5] Die zuvor genannte Erhöhung der Fördersumme für freiwillige Leistungen steht somit im Missverhältnis zu den eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten der Hansestadt Lübeck.

Wenn die Deckung der Mehrbedarfe weiterhin politisch gewollt ist, müssen anderweitige Maßnahmen zur Kompensation durch Leistungseinschränkungen oder Entgelterhöhungen an anderer Stelle ergriffen werden.

 

Der Anteil der Landesförderung am Gesamtetat beiderbecker Musikschulen liegt bei lediglich 6 %. Für das geplante Musikschulfördergesetz sollte bis zum 2. Quartal 2024 ein Entwurf auf den Weg gebracht werden, um den Musikschulen in Schleswig-Holstein mehr Planungssicherheit zu geben. Dies ist bislang jedoch nicht geschehen.
 


[1] Vgl. Statistisches Jahrbuch der Musikschulen in Deutschland, 2021, S. 45, https://www.musikschulen.de/musikschulen/fakten/;
vgl. Präsentation „Förderung der Musikschulen in Lübeck“, Sitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege am 15.01.2024.

[2] Ebd., S. 45.

[3] Ebd., S. 44.

[5] 1. Zwischenbericht zum Haushalt 2024 (VO/2024/12934)


Anlagen

Anlage 1: Positionspapier des Landesverbandes der Musikschulen in Schleswig-Holstein e.V. zur Festanstellung in öffentlichen Musikschulen.
 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Anlage 1_Positionspapier LVdMSH_Festanstellungen (129 KB)    
Stammbaum:
VO/2023/12748   Fraktion LINKE & GAL: Lübecker Musikschulen   Geschäftstelle LINKE & GAL   Antrag der Fraktion LINKE & GAL
VO/2023/12748-02   AM Detlev Stolzenberg (Unabhängige Volt-PARTEI) und AM Julian Bickford (Die Grünen): Änderungsantrag zu VO/2023/12748: Lübecker Musikschulen   Geschäftstelle Unabhängige-Volt-PARTEI   Antrag eines Ausschussmitgliedes
VO/2023/12748-03   Empfehlung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege an die Bürgerschaft zum Überweisungsantrag aus der Bürgerschaft: Fraktion LINKE & GAL: Lübecker Musikschulen (VO/2023/12748)   4.041 - Fachbereichs-Dienste   Empfehlung eines Ausschusses
VO/2023/12748-04   Bericht zum Antrag der Fraktion LINKE & GAL: Lübecker Musikschulen (VO/2023/12748)   4.041 - Fachbereichs-Dienste   Bericht öffentlich